Kontrastive Grammatik Berndeutsch, ALEMMANISCHE

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Kontrastive Grammatik Berndeutsch / Standarddeutsch
 

 

1 Einleitung

Die hier präsentierten Untersuchungen zum Berndeutschen und Standarddeutschen entstanden im Rahmen eines Projektseminars, in dem Vorarbeiten für eine umfassende kontrastive Grammatik durchgeführt wurden. Die beiden Autorinnen haben sich exemplarisch mit einigen Fragestellungen auseinandergesetzt. Dabei wurden im Bereich der Morphologie der Nomina der Akkusativ und der Genitiv, im Bereich der Syntax die Stellung der verbalen Glieder im Satz als Untersuchungsgegenstände ausgewählt.

Beim Berndeutschen handelt es sich primär um eine gesprochene Sprache. Der Sprachraum lässt sich folgendermassen eingrenzen: "Das Berndeutsche bildet das Hauptgebiet des Westschweizerdeutschen, zu dem auch der westliche Teil des Kantons Aargau, das Solothurnische südlich des Jurafusses, der westliche Teil des Kantons Luzern (hauptsächlich mit dem Entlebuch) und das Deutschfreiburgische gehören." (Marti 1985: 9) Eine detailiertere Abgrenzung sowie eine Feingliederung ins Nord-, Mittel- und Südbernische (entspricht der geographischen Einteilung Seeland, Mittelland und Oberland) findet sich bei Hotzenköcherle (1984: 193-225). Während sich in den Varietäten innerhalb dieses Sprachraumes phonetisch einige Unterschiede beobachten lassen, weisen Syntax und Morphologie eine weitgehende Homogenität auf. Deshalb haben wir darauf verzichtet, die einzelnen Varietäten zu differenzieren. Wir selbst verfügen eher über eine mittelbernische Dialektkompetenz. Für die berndeutsche Schreibung folgen wir der weiten Dieth-Schreibung (vgl. Dieth 1986).

Wir haben uns dafür entschieden, uns grob an die traditionelle Grammatik zu halten, da wir der Meinung sind, dass spätere BenutzerInnen der Grammatik, die aus Entwürfen wie dem vorliegenden hervorgehen könnte, am ehesten traditionelles grammatisches Vorwissen mitbringen; auf diese Weise können auch Nicht-Spezialisten sich schnell zurechtfinden. Einen anderen Zugang wählten Penner (1993) und Penner/Bader (1994), die aufgrund ihres X-bar-Schema-Ansatzes eher ein linguistisch versiertes Publikum ansprechen.]

Ziel dieser Arbeit war nicht eine Sammlung von möglichst vielen seltenen, urchigen und archaischen Besonderheiten des Berndeutschen. SprachnostalgikerInnen mögen sich bitte z.B. an Hodler (1969) und Marti (1985) halten.

Da alle SprecherInnen des Berndeutschen über mehr oder weniger gefestigte Standardkenntnisse verfügen (Amtssprache ist Standarddeutsch), bietet sich eine kontrastive Untersuchung durchaus an. "Die kontrastive Analyse geht davon aus, dass durch Sprachvergleich zweier Sprachsysteme auf allen Ebenen und mittels des gleichen grammatikalischen Modells Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen diesen Systemen aufgedeckt werden können." (Rosenberg 1986: 44). Weiterführend wäre eine fehlerlinguistische Analyse mit didaktischen Zielen, so wie Rosenberg (1986: 55) sie fordert, durchaus wünschenswert. Ausgehend von der Fehlerdiagnostik konzipierten Ammon/Löwer (1977) bereits ein Didaktikmodell für schwäbische SchülerInnen, die als Dialektsprechende das Standarddeutsche erlernen sollen.

Bei der syntaktischen Untersuchung der Kasus sind wir von der standarddeutschen Grammatik ausgegangen und haben untersucht, wie die entsprechenden Kasus im Berndeutschen realisiert werden. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, auf ein einigermassen stabiles grammatikalisches Gerüst bauen zu können und eine gute kontrastive Darstellung zu ermöglichen, birgt aber die Gefahr, möglicherweise gewisse berndeutsche Eigenheiten zu übersehen.

Bei den Verbstellungen haben wir ausgehend von der Darstellung fürs Standarddeutsche bei Hentschel/Weydt (1994: 382-386) anhand von berndeutschem Sprachmaterial (konstruierte Beispielsätze sowie Material aus einer kleinen Umfrage) ein eigenes Modell für das Berndeutsche entwickelt.

Trotz - oder gelegentlich auch: gerade wegen - eingehender Beschäftigung mit dem Untersuchungsgegenstand sind wir immer wieder an Grenzen gestossen. Eine interessante Erfahrung war der Verlust des Vertrauens in das eigene Sprachgefühl bei intensiver metasprachlicher Reflexion. Dies hat uns immer wieder veranlasst, mehr oder weniger formelle Umfragen zu starten und auszuwerten. Im weiteren Verlauf einer Untersuchung wird es unabdingbar sein, mit einer breiteren Materialbasis zu arbeiten. Leider ist das vorhandene Material (z.B. Hodler 1969 oder Marti 1985) veraltet und das Gewinnen einer aktuellen, breiten Materialbasis war im Rahmen dieser Vorarbeit zu aufwändig. Deshalb sahen wir uns öfters gezwungen, die Erforschung gewisser Aspekte auszuklammern. Wir haben dies jeweils mit einem "Agenda" - Eintrag in der Fussnote markiert.

 

2 Die Kasus2.1 Der Akkusativ

Entgegen der viel gehörten Aussage, es gebe im Berndeutschen (im Folgenden: Bdt; Standarddeutsch im Folgenden: Std) keinen Akkusativ, sind wir der Meinung, dass es ihn doch gibt. Wir behaupten, dass im Bdt die Deklinationsparadigmen des Substantivs für den Nominativ und den Akkusativ zusammenfallen, nicht aber die Kasus an und für sich. Wir werden dies im Weiteren belegen.]

2.1.1 Das Akkusativobjekt

Zunächst sollen Fälle betrachtet werden, in denen der Akkusativ vom Verb regiert wird, also Akkusativobjekte bzw. direkte Objekte. Im Berndeutschen gibt es ausser in Relikten im Oberland (vgl. Bratschi/Trüb 1991: 13) keine morphologische Akkusativmarkierung für Substantiv und Artikel:]

Std:

Wir sehen den Hasen. 

- Der Hase sitzt hinter dem Busch. 

Bdt:

Mer gsee dr Haas. 

- Dr Haas hocket hinger em Busch. 

Wenn wir uns aber dem Personalpronomen zuwenden, können wir folgendes feststellen (Beispielsatz: 'ich sehe, du siehst etc. den Hund' / 'der Hund sieht mich, dich etc.'):

Personalpronomen im Nominativ

  

Personalpronomen im Akkusativ]

i

gsee

 

 

 

mi / mii (offenes i)

du

gseesch

 

 

 

di / dii (offenes i)

er|si|es

gseet

dr Hung

dr Hung

gseet

ne|se|s / in|sii/seie|ins

mer

gsee

 

 

 

(n)is / üs

dir

gseet

 

 

 

(n)ech / öich

si

gsee

 

 

 

se / sii/seie

Das berndeutsche Personalpronomen unterscheidet morphologisch Nominativ und Akkusativ. Beide Kasus werden realisiert.

Zum Interrogativpronomen ist ergänzend anzumerken:
Im Standarddeutschen wird der Nominativ (d.h. das Subjekt bzw. der Gleichsetzungsnominativ) mit dem Interrogativpronomen wer erfragt, das Akkusativobjekt mit wen. Im Berndeutschen lautet das Interrogativpronomen im Nominativ wär, im Akkusativ verhält es sich etwas komplizierter. Sowohl wär als auch wän sind geläufig. Marti (1985: 106) und Hodler (1969: 262) erwähnen beide wän als alte Form, die kaum noch anzutreffen ist. Unsere Beobachtungen geben aber Grund zur Annahme, dass v.a. durch Dialektsprechende mit häufigem Kontakt zum Standarddeutschen wän durchaus wieder in den Wortschatz dringt. Eine informelle Umfrage mit 10 Befragten lieferte folgendes Resultat: Je etwa die Hälfte der Befragten braucht aktiv wär bzw. wän. Ausnahmslos alle bewerten wär als korrekt. Die meisten stossen sich nicht an einem wän, eine Person reagierte darauf mit Skepsis.

2.1.2 Der Gleichsetzungsakkusativ

Man trifft den Gleichsetzungsakkusativ im Std in Verbindung mit Verben des Benennens wie nennen, heissen, schelten an. Im Berndeutschen werden z.B. diese drei Verben nicht gebraucht. Nennen und heissen werden durch sagen ersetzt, auf das Verb folgen ein Dativ und eine hier nicht bestimmbare Form (Nominativ/Akkusativ?):

Std: Wir nennen ihn den Rotschopf.
Bdt: Mer säge(n) im dr Rotschopf.

Bei transitiven Verben mit als oder für (kennen als, mögen als, halten für...), die es auch im Bdt gibt, folgt zwar meist ein Substantiv, bei dem der Akkusativ morphologisch nicht markiert werden kann:

Std: Wir kennen ihn als lebhaften Menschen.
Bdt: Mer kenne ne aus läbhafte Mönsch.
Std: Ich halte sie für eine Schnepfe.
Bdt: I haute se für(n) e Schnepfe.

Doch ein etwas konstruiertes Beispiel mit Personalpronomen zeigt, dass es sich tatsächlich um einen Akkusativ handelt:

Std: Ich kenne ihn sonst nur als ihn selbst(, doch gestern hat er ein Schauspiel abgezogen).
Bdt: I kenne ne süsch nume aus in säuber(, aber geschter het er es Theater abzoge).

2.1.3 Akkusativ beim Adjektiv

Der zweite untersuchte Fall betrifft Akkusative, die von einem Adjektiv regiert werden, also Objekte zweiten Grades.

Std: 

Ich bin ihm noch einen Franken schuldig. 

Ich bin ihn ihm noch schuldig. 

Bdt: 

I bi(n) im no(n) e Franke schuwdig. 

I bi(n) im ne no schuwdig. 

Die Ersatzprobe mit dem Pronomen zeigt, dass es sich eindeutig um einen Akkusativ handelt. Der Akkusativ beim Adjektiv funktioniert im Berndeutschen gleich wie im Standarddeutschen.

2.1.4 Akkusativ bei der Präposition

Zu unterscheiden sind Präpositionen, die immer einen Akkusativ verlangen, wie um, für, durch.

Std: 

um den Tisch, 

für die Mutter, 

durch das Haus

Bdt: 

ume Tisch], 

für d Mueter, 

dür ds Huus

Std: das Geschenk ist für ihn (den Vater)
Bdt: ds Gschänk isch für in (e Vatter)

Andere Präpositionen regieren einen Akkusativ, wenn sie gerichtet sind, ungerichtet hingegen einen Dativ, so etwa: an, in, auf.

ungerichtet:

Std: 

im Wald sein, 

auf dem Pferd sitzen

Bdt: 

im Waud sii, 

uf em Ross hocke 

gerichtet:

Std: 

an den Bruder denken, 

in das Haus gehen, 

auf das Pferd steigen 

Bdt: 

a Brüetsch dänke], 

i ds Huus gaa, 

uf ds Ross stige 

Std: er denkt an ihn (den Bruder)
Bdt: er dänkt a ne (Brüetsch)

Die Ersatzprobe mit dem Pronomen zeigt, dass auch hier im Berndeutschen ein Akkusativ vorliegt. Der Akkusativ bei Präpositionen funktioniert im Berndeutschen also ebenfalls gleich wie im Standarddeutschen.

2.1.5 Der freie Akkusativ

Unter freien Akkusativen werden im Folgenden alle Fälle zusammengefasst, in denen der Akkusativ von keinem anderen Element des Satzes abhängig ist (im Gegensatz etwa zum Akkusativ, der von einer Präposition regiert wird).]

Lokale und temporale freie Akkusative beantworten die Frage wie lange, sowohl auf die zeitliche als auch auf die räumliche Ausdehnung bezogen. Man kann hier immer noch eine ursprüngliche Funktion des Akkusativs (Kasus der Ausdehnung und Richtung) erkennen.

Std: Den ganzen Tag haben wir an dieser Grammatik geackert.
Bdt: Dr ganz Taag hei mer a där Grammatik gacheret.

Std: Den ganzen Heimweg bin ich gerannt.
Bdt: Dr ganz Heiwääg bi(n) i grennt.

Morphologisch ist im Berndeutschen nicht ersichtlich, ob es sich auch hier um einen Akkusativ handelt. Eine Ersatzprobe ist nicht möglich.

Zwei Fakten sprechen aber dafür: erstens antwortet dieser Satzteil auch im Berndeutschen auf die Fragen wi lang/wi läng (zeitlich/räumlich), zweitens können wir davon ausgehen, dass der Akkusativ auch im Berndeutschen hier noch seine ursprüngliche Funktion als Kasus der Ausdehnung erfüllt, losgelöst vom Verb.

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